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Montag, 01. Juni 2015 20:14

Natur- und Klangerlebnisse in Luthern und Luthern Bad

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Häufig werde ich darauf angesprochen, wie sich die Themen ergeben, über die ich schreibe. Es ist sehr unterschiedlich. Ich bin als Wanderfan in allen Regionen der Schweiz zu Fuss unterwegs. Da entdeckt man manch wundervolle historische Gebäude, verträumte Dörfer, prächtige Kirchen und geheimnisvolle Ruinen. Und dann sind da natürlich die Menschen, denen man unterwegs begegnet und die gerne von ihrer Heimat berichten.


Luthern im Sommer (© Severin.stalder, Wikimedia, CC)


Noch nie sass ich hier und überlegte, worüber ich schreiben könnte. Ich habe das Glück, dass die Textideen von selber zu mir kommen. So auch die folgende.

Es ist schon eine Weile her, dass ich mit meiner Gruppe auf den Napf wanderte. Die Teilnehmer kamen aus verschiedenen Ländern und waren begeistert von dem Charme Lutherns, von wo aus wir unsere Wanderung starteten. Das Wanderziel war Luthern Bad. Schon eine Weile bevor wir damals den Gipfel des Napfs erreichten, hörten wir aus der Ferne Alphornklänge. Oben angekommen, erwartete uns nicht nur eine fantastische Aussicht, sondern auch drei Alphornbläser in wunderschönen Trachten. Mehr ursprüngliche Schweiz hätte ich meinen internationalen Wanderkollegen gar nicht bieten können.

Natürlich war das Zufall, aber es wurde, auch dank dieser musikalischen Überraschung, einer jener Tage, die man nie mehr vergisst. Einer dieser Alphornspieler stammt, wie ich kürzlich erfuhr, aus Luthern und ist zu verschiedenen Anlässen mit seinen Kollegen auch dort zu hören.

Das Nationalsymbol Alphorn – einst ein Werkzeug der Hirten

Kein anderes Instrument ist typischer für die Schweiz als das Alphorn. Es gehört zu unserem Kulturgut wie das Jodeln oder die Betrufe und hat eine entsprechend lange Geschichte.

Das Alphorn war ursprünglich ein Hirten-Werkzeug, das vor allem dazu diente, die Kühe zum Melken in den Stall zu rufen. Es fand bereits 1555 in Aufzeichnungen des Naturgelehrten Conrad Gesner Erwähnung. Er beschreibt in einem Werk, in dem es um die Botanik am Pilatus geht, ein Horn, das aus zwei gekrümmten, ausgehöhlten Hölzern besteht, die mit Weidenruten zusammengebunden sind. Auch in der Autobiografie des 1499 im Oberwallis geborenen Basler Professors Thomas Platteren ist das Alphorn erwähnt. Er berichtet, dass er, der als Bauernkind aufwuchs, „des Hirten Horen“ habe blasen können.


Alphornblaser über Luthern (Bild: © Pius Häfliger, Luthern)


Natürlich dokumentieren auch alte Bilder den Einsatz des Alphorns. Die vermutlich älteste Abbildung soll aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammen und ist in einer Bergkapelle im Allgäu zu sehen. Im Emmental gibt es ein Hinterglasbild von 1595, das zeigt, dass der Ton des Instrumentes die Kühe besonders während des Melkens beruhigen konnte. Ein Stich aus dem Jahr 1754 bildet einen Alpaufzug ab, bei dem die Tiere offensichtlich durch den Klang des Horns für den steilen Aufstieg motiviert wurden.

So wie in katholischen Regionen abends der Betruf von den Alpen erschallte, war in den reformierten Gegenden das Alphorn als Alpsegen zu hören. Eine wichtige Rolle spielte das Instrument bei der Kommunikation, einerseits der Älpler untereinander, andererseits auch mit den Menschen im Tal. Dieser Brauch wurde etwa ab 1800 immer seltener. In dieser Zeit verlagerte sich die Käseherstellung zunehmend von den Alpen in die Molkereien der Dörfer, und gleichzeitig nahm die Anzahl der Sennen deutlich ab.

Das Alphorn drohte zu verstummen, denn auch an Festen war es nun immer seltener zu hören. Als im Jahr 1805 das erste Unspunnenfest mit dem Ziel, dass sich Stadt und Land nach der französischen Besetzung annähern sollten, stattfand und ein Alphornwettbewerb ausgeschrieben wurde, kamen gerade mal zwei Teilnehmer. Um das Aussterben einer alten Tradition zu verhindern, schlossen sich daraufhin Berner Behörden und Leute aus der Kulturszene im frühen 19. Jahrhundert zusammen. Sie veranlassten, dass der Bau der Alphörner sowie Kurse für Bläser finanziert und organisiert wurden.

Zu jener Zeit erlebte der Tourismus in der Schweiz einen Aufschwung, von dem auch das Alphorn und die teilweise verarmten Sennen profitierten. Auf jeden Fall blieb es vorerst im Gespräch, denn es entstand ein Konflikt: Die Folklore sollte „von oben verordnet“ gepflegt werden, jedoch war das Horn nicht nur an Wettbewerben oder bei traditionellen Feierlichkeiten zu hören: Arbeitslos gewordene Sennen nutzten den aufstrebenden Tourismus für spontane Vorführungen an den beliebtesten Ausflugszielen.

So konnte man sich zum Beispiel auf dem Pilatus oder auf der Rigi, an den Giessbachfällen oder dem Rhonegletscher an Alphornklängen erfreuen … oder sich darüber ärgern und beschweren. Nicht alle Feriengäste hatten Freude an den Bettlern und fühlten sich vielmehr bedrängt. Das kennen wir heute noch von Strassenmusikanten, auf die nicht jeder freundlich reagiert. Wobei ein spontanes Alphornständchen wohl inzwischen jeden erfreuen würde.

Als Anfang des 20. Jahrhunderts der Eidgenössische Jodlerverband gegründet wurde, war dies gleichzeitig ein Ereignis, das die Zukunft des Alphorns sicherte. Jodelverband-Mitbegründer Oskar Friedrich Schmalz setzte sich für dessen Förderung ein. Qualifizierte Handwerker stellten erstklassige Instrumente her, die sich auch für das Spielen in Gruppen eigneten. Extra für das Alphorn geschriebene Melodien werden seitdem gesammelt und auch Musikwissenschaftler nahmen sich dieser an.

1527 soll ein Mönch ins Kassabuch des Klosters St. Urban geschrieben haben, dass er im Jura einem Alphornbläser einen Batzen für dessen Auftritt gab. Das Kloster St. Urban spielte auch eine Zeitlang eine Rolle in der Geschichte der Pfarrei Lutherns.



Die Entstehung und Entwicklung des Dorfes Luthern

Gerade mal rund 1300 Einwohner zählt Luthern. Sein Dorfkern gilt als einer der schönsten weit und breit, und das Dorf ist in der Liste der Orte von nationaler Bedeutung aufgeführt. In Luthern legt man Wert auf Denkmal- und Heimatschutz, und die Heimatliebe spürt der Besucher bei einem Bummel durch den gepflegten Ort auf Anhieb.

Wer sich in die Geschichte des Dorfes vertiefen möchte, muss gründlich recherchieren. Weder auf der Website noch auf Wikipedia wird ausführlich darüber berichtet. Ich habe on- und offline nach Informationen gesucht und gefragt und fasse hier nun zusammen, was ich in Erfahrung bringen konnte. Sollte letztendlich doch irgendein Datum oder eine Information nicht ganz korrekt sein, freue ich mich über ein entsprechendes Feedback!

Im Mittelalter bildete das Lutherntal mit der Burg Waldsberg eine Herrschaft. Bis 1172 besassen die Lenzburger die Hochgerichtsrechte, danach gingen diese bis 1407 auf die Habsburger über. Das betraf neben der Habsburg nur die freien Bauern. Der erste schriftliche Nachweis von Luthern, damals als Lutrun bekannt, stammt aus dem Jahr 1275. Es ist im päpstlichen Verzeichnis erwähnt, welches die Siedlungen der Diözese (Bistum) Konstanz erwähnt.

1278 waren die Emmentaler Freiherren von Affoltern die Besitzer. Davon zeugt bis heute das Wappen von Luthern: Die Luther wird darauf symbolisch als weisser Wellenbalken dargestellt, der Apfelbaum samt Äpfel erinnert an die Gründer, die Freiherren von Affoltern. Affoltern bedeutete „bei den Apfelbäumen“. Sie verkauften Lutrun 1283 an die Ritter von Hünenberg. In deren Besitz blieb es bis zum Jahr 1414, als sie das Lutherntal an Ulrich Hug und Hans Bircher veräusserten. Mit dem Verkauf des Anteils von Hans Bircher an die Stadt Luzern wurde Luthern ein Teil der Vogtei Willisau. Später gehörte es von 1798 bis 1803 zum Distrikt Willisau und bildete danach einen Gerichtsbezirk. Ab 1814 gehörte Luthern zu Willisau und kam danach, 1831, zu Zell.


Historischer Dorfkern Luthern (Bild: © Pius Häfliger, Luthern)


Heimat- und Denkmalpflege wird grossgeschrieben

Die Einwohner Lutherns haben noch Platz zum Leben, denn das Dorf ist mit 32 Quadratkilometern relativ gross. Luthern ist ein charmanter, ruhiger und gepflegter Ort. Überrascht stellte ich, als ich im Kollegenkreis herumfragte, wer mir etwas über Luthern erzählen könnte, fest, dass einige noch nie von diesem herzigen Dorf gehört hatten. Es ist keines dieser Vorzeigedörfer, die sich vor allem für Touristen traditionell schweizerisch geben, sondern noch ein echter Geheimtipp.

Viele der wunderschönen Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Dazu gehören der Zehntenspeicher, die Gasthöfe Krone und Sonne, das doppelgeschossige Gemeindehaus sowie die wundervolle Pfarrkirsche St. Ulrich aus dem Rokoko.

Sie wurde von Johann Josef Purtschert und Jakob Singer von 1751 bis 1753 erbaut. Die Pfarrei ist jedoch schon 1275 schriftlich erwähnt worden. Von 1577 bis 1579 gelangte sie ans Kloster St. Urban und kam 1848 zum Kanton Luzern. Sie verfügte in der frühen Neuzeit über reiche Lehen. Das Gotteshaus ist kürzlich gründlich renoviert worden und erfreut seine Besucher in neuem Glanz. Während eines feierlichen Gottesdienstes wurde den freiwilligen Helfern, die unentgeltliche Arbeit geleistet hatten, ebenso gedankt wie den grosszügigen Spendern, den beteiligten Firmen und der Denkmalpflege.

Aber auch nach Abschluss der Innenrenovation konnten von der kleinen Gemeinde Luthern noch nicht alle offenen Beträge beglichen werden. Deshalb ging ein Aufruf an den ganzen Kanton Luzern, Luthern zu helfen. Weitere Sanierungsarbeiten werden schon bald nötig sein, vor allem muss das Dach instand gesetzt werden.


Sündenfall im Paradies – Rundbogenmalerei, Gasthaus Krone, Luthern (Bild: © Pius Häfliger, Luthern)


Seit 1581 ein Ort für Pilgerer – Luthern Bad

Ob sich die Geschichte von Luthern Bad so zugetragen hat, wie sie mir erzählt wurde, möchte ich nicht beurteilen, aber sie gefällt mir und deshalb schreibe ich sie gerne auf: Es war Pfingsten 1581, als der an Gicht erkrankte Jakob Minder im Traum eine Erscheinung hatte. In Gestalt des Einsiedler-Gnadenbildes erschien ihm die Mutter Gottes und riet ihm, hinter dem Haus nach Wasser zu graben. Minder hatte Familie, die er mit seiner Krankheit nicht mehr ausreichend versorgen konnte, und so tat er, wie ihm aufgetragen wurde: Er fand tatsächlich Wasser, und als er sich mit diesem wusch, wurde er rasch geheilt. Natürlich breitete sich die Nachricht von dem Heilwasser und der wundersamen Wirkung wie ein Lauffeuer aus und zog Kranke in Scharen an.

Nicht nur einfache Leute, auch Prominente pilgerten in der Folge nach Luthern Bad. Selbst der deutsche Kaiser schickte seine Boten ins Luthertal. Nachdem die Geschehnisse um die Wunderheilung des Jakob Minder vom Stadtschreiber Luzerns untersucht und aufgeschrieben worden waren, hielt man die Geschichte für glaubwürdig. Luthern Bad war fortan ein Wallfahrtsort und blieb dies bis heute. Zwar kommen die Besucher nicht mehr wegen des Bades, aber schätzen den Ort als Kraftquelle und zur Besinnung. Das Heilwasser kann getrunken werden, und manch einer taucht, im Glauben an die wohltätige Wirkung, Hände und Arme hinein.

Zwei Jahre nachdem Maria dem Jakob Minder erschienen war, also im Jahr 1583, wurde an dieser Stelle von der Luzerner Obrigkeit eine Kapelle erstellt. Der damalige Konstanzer Bischoff, Markus Sittikus III. von Hohenems, weihte sie ein. Heute ist es das Anliegen des Fördervereins Luthern Bad, diesen bedeutenden Wallfahrtsort zu erhalten und unter Beachtung der denkmalpflegerischen Auflagen zeitgemäss zu gestalten. In den letzten Jahren hat sich viel getan: Neue Bäume wurden gepflanzt und ausreichend Bänke aufgestellt, zudem gibt es jetzt einen barrierefreien Weg zum Badbrünneli. Dass ein solcher Ort rollstuhlgängig sein sollte, war ein Hauptanliegen.


Luthern im Herbstnebel (Bild: © Pius Häfliger, Luthern)


Natürlich müssen solche umfangreichen Arbeiten sowie der ständige Unterhalt finanziert werden. Das ist durch Spenden und Leistungen von privaten Gönnern, Firmen und Institutionen möglich. Als Dank wurde eine Sponsorentafel aufgestellt, welche die Namen aller, die das Projekt unterstützen, auflistet.

Die kleine Wallfahrtskirche Maria-Heilbronn stammt aus dem Jahr 1949. Nachdem die ursprüngliche Kapelle zu baufällig geworden war, um eine Sanierung in Angriff zu nehmen, entschieden sich die Verantwortlichen für den Neubau nach einem Entwurf des Luzerner Architekten August Boyer. Die heutige Kirche verfügt über mehr Platz und strahlt eine wohltuende Ruhe aus. Wie es in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg üblich war, ist das Innere schlicht gehalten. Auffallend sind die beiden Madonnenbilder: Im Blickpunkt der Besucher ist die schwarze Madonna, die mit dem Jesuskind über dem Altar schwebt. Es handelt sich hierbei um eine Arbeit aus der berühmten Südtiroler Holzwerkstatt Dolfi aus dem Jahr 1950. Der Entwurf stammt von Hans von Matt aus Stans.

Aus dem 18. Jahrhundert stammt die spanische Madonna an der Wand im Vorraum der Kirche. Sie ist von Votivtafeln umgeben, die zum Teil sehr alt sind und sowohl als Fürbitte wie auch für Danksagungen gespendet wurden. Eduard Renggli schuf die fünf Glasgemälde in der Vorhalle, auf welchen die Entstehungsgeschichte des Wallfahrtortes Luthern Bad abgebildet wird.

Sie möchten noch mehr über Luthern wissen? Ich auch! Nachdem ich so viele Websites besuchte und traumhafte Fotos ansah, werde ich bald wieder zum Wandern ins Luthertal fahren und auch Luthern besuchen. Vielleicht kann ich doch noch etwas mehr bezüglich der Geschichte und der geschützten historischen Gebäude im Dorfkern erfahren.

Bis 3. Juni können Sie übrigens an der Abstimmung „Schönstes Dorf der Schweiz 2015“ teilnehmen. In der Liste der nominierten Dörfer finden sich einige, über die ich für diesen Blog in den letzten Monaten schon schrieb. Auch das liebenswerte Luthern hat einen Platz in unserem Blog verdient; und freut sich über Ihre Stimme!

Übrigens, wenn Sie Lust bekommen haben, einmal anzusehen, wie ein Alphorn hergestellt wird, haben Sie die Möglichkeit, an einer Führung in der Alphornfabrik in Kriens, ebenfalls im Kanton Luzern, teilzunehmen (Voranmeldung notwendig unter www.alphorn.com).

 

Bild oben links: © Pius Häfliger, Luthern

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