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Freitag, 18. November 2016 19:07

Gen-Food: Was Verbraucher wissen sollten

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Im Februar 2014 wurde der extrem umstrittene Genmais 1507 hauptsächlich durch eine abermalige Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung schlussendlich von der EU-Kommission durchgewinkt. Nun kann er in der EU angebaut statt nur importiert werden, nachdem auch die europäische Lebensmittelbehörde Efsa den Mais als unbedenklich bewertet hatte.


Nun kann der extrem umstrittene Genmais 1507 in der EU angebaut statt nur importiert werden. (Bild: science photo – Shutterstock.com)


Gegner gentechnisch manipulierter Lebensmittel laufen allerdings Sturm gegen die entsprechenden EU-Praktiken – und das nicht nur aus Prinzip. Sie kritisieren, dass das von der Pflanze generierte Pflanzengift ein Risiko für Schmetterlinge darstelle und zudem in den Boden dringen könne. Die Schweiz scheint auf dem europäischen Kontinent eine Insel der naturbelassenen Agrarprodukte zu sein. Aber ist das wirklich so? Und wie lange noch? Was kann und muss der Verbraucher tun, wenn er auch weiterhin keine genetisch veränderten Produkte auf dem Teller liegen haben will?

Zunächst zu den Gründen für Genmanipulation bei Lebensmitteln. Sie sind vielfältig. Immer zielen sie auf biologische und ernährungsphysiologische Optimierungen eines Lebensmittels ab, das im Umkehrschluss in seiner natürlichen Form als mangelhaft bewertet wird. Das kann von der Produktivitätssteigerung per Beschleunigung von Wachstum und Reifung und der Hinzufügung von Genen, die bestimmte Vitamine produzieren, über eine Veränderung des Geschmackserlebnisses bis zur Resistenz gegen bestimmte Krankheiten und Schädlinge reichen. Die resultierenden Umwelt- und Gesundheitsrisiken, die vom Anbau und Verzehr der Gentech-Lebensmitteln ausgehen könnten, sind noch nicht hinreichend erforscht.

Die Schweiz hat bis zumindest 2017 theoretisch Ruhe vor gentechnisch veränderten Pflanzen – auch wenn sich organische Saatgut-Überschreitungen der "grünen Grenze" zwischen beispielsweise Deutschland und der Schweiz natürlich nie ausschliessen lassen. Daneben gilt es noch, ironische Tatsachen des freien Marktes zu erwähnen. So etwa, dass der Schweizer Agrarchemiekonzern Syngenta einen Genmais der Sorte MIR 162 entwickelt hat, der in der EU als Lebensmittel und Tierfutter zugelassen ist. Gekauft wird der Mais in Brasilien, den USA und Kanada, um Defizite im Tierfutter auszugleichen, was auch noch seinen CO2-Fussabdruck zu einem Skandal werden lässt.

Rein rechtlich jedoch hat eine 2005 angenommene entsprechende Volksinitiative das Moratorium für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) verabschiedet und somit den Anbau gentechnisch manipulierter Pflanzen unterbunden. Damit hat die Schweiz den Lobbyisten von Monsanto & Co., die auf den EU-Korridoren bekannt mächtige Entscheidungs-Mitträger sind, ein Instrument direkter Demokratie entgegengestellt, das etwa Deutschland nicht zur Verfügung steht.

Allerdings, und das wissen viele Verbraucher nicht, geht es in dem Moratorium um den kommerziellen Anbau von Gen-Pflanzen. Die Forschung sowie Freisetzungsversuche zu Forschungszwecken schränkt der Entscheid nicht ein.

Importiert werden dürfen einige Genpflanzen ebenfalls, wenn auch unter Deklarationspflicht. Drei gentechnisch manipulierte Maissorten und eine Sojasorte dürfen in die Schweiz eingeführt und dort vermarktet werden. Dabei handelt es sich um eine Sojapflanze der Firma Monsanto mit dem Handelsnamen "Roundup-Ready-Soybean" (Genehmigung 1996), die insektentoleranten Maissorten Bt176 und Bt11 der Firma Novartis (Genehmigung 1998) und die insektentolerante Maissorte MON810 "Maizegard", ebenfalls von Monsanto. Diese Lebensmittel werden als GVO-Produkte bezeichnet.

Ausserdem erlaubt ist der Verkauf von Futtermitteln, die maximal 0,9 % Gentech-Anteile aufweisen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Anteile ohne Absicht des Erzeugers in das Produkt gelangt sind. Bisher verzichten die Landwirte in der Schweiz bewusst auf die selbstständige Einfuhr und Verwendung gentechnisch manipulierter Futtermittel – dies müssen sie tun, da auch die Grosshändler nur ein gentechnikfreies Sortiment anbieten. Damit kommen sie dem Wunsch der meisten Verbraucher entgegen: 60 bis 80 % lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab.



Wenn GVO-Produkte gehandelt werden, müssen sie eindeutig deklariert sein. Die Kennzeichnungsverordnung LKV schreibt den Hinweis "gentechnisch verändert" oder "genetisch verändert" vor. Ausserdem ist vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine zusätzliche Kennzeichnung für tierische Lebensmittel geplant, die bewusst nicht den gentechnischen Risiken ausgesetzt wurden. Diese sollen bald am Hinweis "Produktion ohne gentechnisch veränderte Futterpflanzen" für den Verbraucher erkenntlich sein. Bisher gibt es diese Deklarationsmöglichkeit anders als etwa in Deutschland in der Schweiz noch nicht.

Was können Verbraucher zudem selber tun? Sich zum einen konstant informieren. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist per Gesetz für die Prüfung und Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel zuständig. Auf der Website des BAG kann jeder Bürger den Status aktueller Anmeldungen und Bewilligungen im Menüpunkt GVO-Lebensmittel einsehen. Dort findet sich auch eine Übersicht der Kennzeichnungsbestimmungen.

Ausserdem veröffentlicht das BAG an dieser Stelle seinen Bericht über die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen der kantonalen Vollzugsbehörden. Diese untersuchen jährlich Hunderte Lebensmittelproben auf gentechnisch manipulierte Organismen (GVO). Zum ethischen Standpunkt hat ausserdem die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich EKAH eine ausführliche Broschüre herausgegeben, die die Beurteilungskriterien des schweizerischen Lebens- und Futtermittelrechts beleuchtet.

Weiterhin sind es die täglichen Konsumentscheidungen, die über den Verbraucherschutz mitentscheiden. Je mehr Lebensmittel in Bio-Qualität erworben werden, desto klarer die bewusste Entscheidung gegen Gen-Produkte. Das gilt vor allem für Biofleisch, zu dem sowieso immer mehr Verbraucher aufgrund der Skandale der letzten Jahre greifen. Denn Fleisch ist meist die hauptsächliche Quelle, über die gentechnisch veränderte Lebensmittel in den menschlichen Körper kommen – wenn nämlich das Futtermittel ein GVO-Produkt war. Deshalb ist der momentan sicherste Weg aus der Gentechnikfalle wahrscheinlich der Vegetarismus.

 

Bild oben links: Die EU knickt ein in Sachen Gentechnik. (© Carlos Amarillo – Shutterstock.com)

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