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Mittwoch, 16. März 2016 14:35

Krawattenmode früher und heute

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Vor ein paar Jahren warb ein Coiffeur in Zürich mit dem Spruch: „Ein Mann muss nicht immer schön sein – aber gepflegt“. Ich denke, fast jeder, der den Spruch las, hat zumindest kurz darüber nachgedacht. Tatsächlich bevorzugt wohl jede Frau einen Mann, der auf sich schaut. Was nützt ein durchtrainierter Körper, wenn die Haare ungepflegt und fettig sind oder der Herr unangenehme Ausdünstungen hat.


Die Krawatte kommt nie aus der Mode. (Bild: g-stockstudio / Shutterstock.com)


Ebenso sieht der teuerste Anzug nicht gerade schick aus, wenn die Schuhe ungeputzt und die Fingernägel abgekaut sind. Elegante Kleidung wirkt mit Turnschuhen und Rucksack irgendwie unpassend. Und auch eine altmodische, nicht aufs Outfit abgestimmte, Krawatte sieht gar nicht edel aus.

Diese „Fälle“ sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern stammen aus dem Zürcher Berufsverkehr. Ich pendle täglich und hatte in Bus und Zug schon ausreichend Zeit, meine Mitpendler zu betrachten. Das ist aber auf Dauer langweilig und sowieso steigen frühmorgens mehr oder weniger immer die gleichen Leute ein und aus. Also lese ich meistens die Pendlerzeitung 20 Minuten. Darin stiess ich letzte Woche auf den Artikel, in welchem es um Alexis Tsipras, den neuen griechischen Regierungschef, und seine Einstellung zur Krawatte ging. Den Seidenschlips, welchen ihn sein italienischer Kollege, Ministerpräsident Renzi, schenkte, will Tsipras erst tragen, wenn die Krise in Griechenland vorbei ist.

Ob wir ihn also je mit Krawatte sehen werden oder nicht, das kann und will ich nicht beurteilen. Fakt ist: Der Mann sieht auch mit offenem Hemdkragen gut und gepflegt aus. Das Thema wurde von verschiedenen Zeitungen aufgegriffen und mit diversen Fotos bedacht und da fiel auf, dass manch ein Politiker trotz Binder etwas nachlässig gekleidet ausschaut. Da kommt mir ein anderer Artikel in den Sinn, der vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls in den 20 Minuten gedruckt wurde: Der handelte von den teils altmodischen Jacketts und breiten Krawatten einiger Schweizer Politiker. Wobei ich nicht behaupten würde, dass dies nur ein Schweizer Problem ist.

Muss ein Geschäftsmann, um seriös zu wirken, unbedingt eine Krawatte tragen? Für „Recherchezwecke“ habe ich heute am Morgen einen Klassenwechsel gelöst und mich in der S-Bahn nicht in die überfüllten Wagen der 2. Klasse gezwängt, sondern es mir mit 11 Herren und einer Frau in der 1. Klasse gemütlich gemacht. Da alle mit Handy, Laptop oder Tablet beschäftigt waren, konnte ich sie mir genauer anschauen. Von denen, die ich im Blickfeld hatte, kamen eigentlich bis auf einen alle gut weg. Dieser eine Herr trug eine kitschig mit Comicfiguren gemusterte Krawatte zu einem braunen Anzug, schwarzen Schuhen und hellblauen Socken. Ich mag zwar Farben, aber das ging gar nicht.

Ein Fahrgast hatte den Mantel bis obenhin zugeknöpft und einen Schal um den Hals, sodass ich bezüglich Schlips nichts sagen kann, ein weiterer kam ganz klassisch daher: blaues Hemd und gelbe Krawatte. Einer aber fiel mir total positiv auf. Er war schon älter und man sah ihm an, dass er sein Äusseres nicht dem Zufall überlässt: Er trug eine karierte Krawatte in gedeckten Farben und im exakt gleichen Muster, mit gleicher Farbkombination, die Socken. (Wo kauft man denn so was?). Beim Aussteigen fiel mein Blick noch auf einen jüngeren Mann mit gepflegter Jeans, schicken Schuhen und weissem Hemd, ohne Schlips. Auf seinem Schoss lagen eine schwarze Jacke und ein karierter Schal. Der bekam von mir auch volle Punktzahl. Wobei zu seinem Outfit ein modischer Binder durchaus auch gepasst hätte.


In diesem Jahr bleiben die Krawatten schmal und neu fallen sie weicher als bisher. (Bild: Margarita Nikolskaya / Shutterstock.com)


Es gibt nach wie vor Berufsgruppen, die das Tragen einer Krawatte vorschreiben. Herren, die täglich oder zumindest sehr oft einen Binder tragen müssen, sollte sich also ein paar Gedanken über ihr Outfit machen. (Es sei denn, sie tragen Uniform) Fakt ist, ein Schlips allein macht kein seriöses Outfit! Schauen wir uns doch mal die Krawattenmode im Laufe der Zeit an und werfen besonders einen Blick auf jene des Jahres 2015:

Krawattenähnlichen Halsschmuck soll es bereits bei den alten Ägyptern gegeben haben. Auch Phönizier und Römer trugen Halstücher, die als Vorläufer der Krawatte gelten. Den Hals nicht zu bedecken, war zu jener Zeit unüblich. Kroatische Söldner, die 1660 auf Geheiss des Sonnenkönigs Ludwig dem XIV. in Frankreich ankamen, trugen zu ihrer Uniform die Hravatska. Das war ein weisses Stoffband, welches in Rosettenform am Kragen befestigt wurde und lose über die Brust fiel. Die Franzosen waren von dieser Mode so begeistert, dass sie die Croatta (=Krawatte) in Europa verbreiteten.

In den folgenden Jahrhunderten war der Binder ständigen Veränderungen unterworfen. Arten, Muster und Moden änderten sich und während der Französischen Revolution galt die Krawatte als Statussymbol. Erstmals in ihrer Geschichte diente sie der Machtdemonstration und wurde Ausdruck politischer Überzeugung. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ähnelt sie der heute üblichen Krawatte. Damals waren komplizierte Schlingvarianten und Knoten üblich. Die Herren wählten den Halsschmuck nach sozialem Status oder um sich Kulturbewegungen zugehörig zu zeigen.

Das änderte sich während der Industriellen Revolution. Es war keine Zeit mehr für Schnickschnack, und der Binder kam in allen gesellschaftlichen Schichten in Mode. Fast alle Männer trugen Krawatte, auch für Angestellte wurde sie immer mehr Pflicht. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts galt das Tragen eines Schlipses als spiessig und war plötzlich verpönt. Man setzte ihn gleich mit Bürokratie und ordnete ihn der gehobenen Gesellschaftsschicht zu. Inzwischen gehört er in vielen Bereichen des Geschäftslebens zum guten Ton. Richtig kombiniert, passt die Krawatte auch in die Freizeit und die derzeitige Mode bietet da für jede Gelegenheit wirklich lässige Modelle.



In diesem Jahr bleiben die Krawatten schmal und neu fallen sie weicher als bisher. Sie dürfen gerne etwas legerer getragen werden, das heisst, wer den Knoten nicht ganz fest ziehen mag, der lässt ihn einfach lockerer. Auffallende, schrille Binder sind nicht zu sehen, dafür umso mehr solche mit dezenten, kleineren Mustern, Querstreifen, und ganz modern sind die verschiedensten Karomuster. Der bestgekleidete Herr heute Morgen im Zug lag also voll im Trend. Gestrickte Krawatten, wie man sie in den 1950er Jahren kannte, feiern Ihr Comeback und dürften viele Liebhaber finden. Sie sind unten gerade geschnitten und sehen selbst zu verwaschenen Jeans und Freizeithemd toll aus. Modemutige Männer tragen Sie auch zum Businesslook.

Mir persönlich gefallen die gestrickten Binder und ich denke, ein solcher könnte auch für Alexis Tsipras eine Alternative sein. Bei seiner sportlichen Erscheinung sähe das bestimmt klasse aus. Aber bis wir das zu sehen bekommen, muss ja erst die griechische Wirtschaft … ach nein, das Thema ist in einem unserer Partnerblogs besser aufgehoben…

 

Bild oben links: © RAYphotographer - Shutterstock.com

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